Donnerstag, 25. Dezember 2014

Raus in Freiheit bei den Liebsten

Gestern war Heilig Abend und ich durfte für drei Stunden das Krankenhaus verlassen. Meine Freude war rießig. Aus dem Krankenhaus zu gehen. Meine Tochter strahlte mich an und lachte wild und strampelte und mein Mann bekam dadurch Tränchen in die Augen. Ich setzte mich bei der Autofahrt neben meine kleine Prinzessin und sie hielt meine Hand und meinen Arm ganz fest und lachte und lachte. Sie freute sich so sehr darüber, dass ich bei ihr war und ich freute mich genauso.

Wieso auch immer hatte ich gestern nur Zimtsterneeis im Kopf und wollte das unbedingt. Doch ich wurde erst um kurz vor 14 Uhr entlassen und so waren natürlich bis auf eines alle Geschäfte geschlossen. Ich wollte es dennoch nicht unversucht lassen und huschte schnell in den letzten 5 Öffnungsminuten in den Laden zu der Eisabteilung und fand, wer hätte es gedacht, leider kein Zimtsterneeis. Ich lief wieder zum Auto und in diesem Moment war mir so bewusst, dass ich das nicht machen darf. Ich nicht einfach in einen Markt stürmen kann mit meiner Krebskrankheit. Während ich zum Auto lief, beobachtete ich die Menschen und dachte mir, dass jeder Einzelne eine Gefahr für mich und meine geschwächte Immunabwehr darstellt. Dass ich mit solch einer verrückten Aktion mein Leben aufs Spiel setze. Denn in meiner aktuellen Immunsituation kann selbst eine Erkältung lebensbedrohlich werden. Man ist zu leichtsinnig. Zu unbedacht. Ich desinfizierte im Auto meine Hände und war froh als wir Zuhause waren und ich sie ausgiebig waschen konnte. Es ist seltsam, dass man alles plötzlich mit anderen Augen sieht. Ich bin krank und muss mein Leben daran anpassen. Ich kann nicht einfach tun und lassen was ich will. Außer ich möchte mein Leben riskieren und das möchte ich nicht. Ich muss mehr auf mich aufpassen.

Vielleicht sind die Gedanken auch überspitzt und ich sehe es in einigen Monaten doch entspannter. Aber wenn man den Ratgebern folgt und liest "Keine Familienfeste, keine Menschenansammlungen, kein Schwimmbad wegen den Keimen, keine Einkaushäuser, keine Sportarten, bei denen man sich verletzen könnte, keine keimbelastenden Lebensmittel." Man liest so viele Verbote. Da weiß man irgendwann gar nicht mehr was man wirklich machen darf oder ob man von der Welt isoliert leben soll. 

Zuhause haben wir lecker gegessen. Meine Mama hatte am Vortrag vorgekocht und ist extra 100 km gefahren, nur damit ich an Heilig Abend kein Stress habe und die Zeit intensiv mit meiner kleinen Familie und unserem ersten gemeinsamen Weihnachtsfest verbringen konnte. Es ist so verrückt und zeigt doch so deutlich, dass Mamas einfach die Besten sind. Danke Mama, an dieser Stelle. Nach dem Essen haben wir wenige Geschenke mit unserer Kleinen ausgepackt. Es war süß. Sie freute sich und doch war sie gar nicht so interessiert an den neuen Sachen. Sie hat es einfach genossen, dass wir bei ihr waren. Drückte uns Bücher zum Lesen und altbekannte Spielsachen in die Hand und wollte einfach nur ganz normal spielen. Es war wunderschön :)! Wir haben nicht einmal alle Geschenke geöffnet, weil es so viele waren und Mausi einfach die ganzen neuen Sachen für ein schönes Weihnachtsfest brauchte. Ich glaube auch für sie waren die gemeinsamen unbeschwerten Stunden mit Mama und Papa einfach das Schönste. 

Als mich mein Mann wieder ins Krankenhaus fuhr, war Mausi fast am Schlafen. Ich wollte mich nur ganz schnell verabschieden, damit sie nicht zu geschockt ist, aber es klappte nicht. Ich öffnete die Autotüre und mit einem Schlag schrie meine Maus ihre Seele aus dem Leib mit den Worten "Mama, Mama". Es zerriss mein Herz.. 

Was mir bei den wenigen Stunden aus dem Krankenhaus sofort auffiel: ich war schwach. So kannte ich mich gar nicht. Die Treppe zur Wohnung kam mir ewig lang vor. Jeder Schritt war ein Kraftakt. In der Wohnung angekommen, setzte ich mich auf den Boden und stand lange nicht mehr auf. Jeder Schritt fiel mir schwer. Als hätte ich keinerlei Kraft in der Muskulatur. Als wären meine Beine Wackelpudding. Im Krankenhaus war mir dies gar nicht aufgefallen. Da liegt und sitzt man eben doch überwiegend. Aber Zuhause die Stunden, auch wenn ich nur herumsaß: ich fühlte mich kraftlos. Die Weihnachtskarten legte ich zur Seite. Ich konnte sie nicht lesen. Zu undeutlich waren vor meinen Augen die Buchstaben. Ich bin wahrlich froh, wenn ich nach Hause komme und ich sodann Unterstützung von einer Haushaltshilfe erhalte. Jemand, der mich einfach bei den täglichen Dingen unterstützt, für die ich vielleicht manchmal zu schwach sein werde. 

So nun jammer ich nicht weiter. Ich hatte tolle unvergessene Stunden mit meinen zwei liebsten Menschen im Leben. Und dafür bin ich unendlich dankbar! 

Heute darf ich wieder aus dem Krankenhaus. Meine Gefühle sind gemischt und fast frage ich mich, ob ich lieber hier bleiben sollte. Zum Einen wegen meiner Maus, damit sie nicht wieder so einen schweren Abschied hat und zum Anderen, weil sich Besuch angekündigt hat. Auch wenn ich ausdrücklich die Zeit mit meinem Mann und meiner Tochter verbringen wollte, haben meine Schwiegereltern darüber hinweggesehen und sich selbst eingeladen. Die Warnungen vor dem hohen Infektionsrisiko missachtet. Dass es hinter meinem Rücken so arrangiert wurde und ich einfach vor die Tatsachen so gesetzt wurde.. Es fällt mir schwer da positive Gedanken zu finden. Natürlich kann ich nicht völlig von der Welt isoliert sein, aber kann ich mit Menschen, die nur um ihr eigenes Wohl besorgt sind, zusammen sein? Vielleicht bleibe ich im Krankenhaus. Ich weiß es noch nicht. Ich bin hin- und hergerissen. 

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